Mittwoch, April 25, 2007

Tipps zum Uhrenkauf

In Foren lese ich immer wieder die Frage, bitte liebe Gemeinde, sagt mir, welche Uhr mir gefällt. Dazu präsentiert der Fragende eine Vorauswahl an Zeitmessern deren Design und Funktionalität unterschiedlicher nicht sein können. Kommt noch der Umstand hinzu, dass sich die Plattform auf eine Uhrenmarke spezialisiert hat, dann sind die Antworten keine wirkliche Hilfe, weil ein verklärter Blick keine Modelle von Mitbewerbern neben der Lieblingsmarke gelten lässt. Ich habe nun das vielleicht seltene Glück, dass mir Zeitmesser verschiedener Hersteller gefallen. Ich mag robuste sportliche Modelle genauso wie empfindlichere grosse Komplikationen. Wobei empfindlich nicht heisst, dass eine solche Uhr alltagsuntauglich wäre. Meine Kriterien, wie ich an einen Kauf heran gehe:

Design
Eine Uhr muss gefallen. Aber nicht dem Umfeld, sondern mir, dem Besitzer und niemand anderem. Ich trage und sehe sie den ganzen Tag. Als erstes beim Aufwachen und als letztes vor dem Einschlafen. Daher sollte sie zu mir und meinem Outfit passen. Die Grösse muss stimmen, genauso wie der Gesamteindruck, den ich von ihr habe. Mögen Sie interessante und komplizierte Modelle mit möglichst vielen Spielereien? Bitte schön! Gefällt Ihnen schlichtes Understatement? Dann kaufen!

Robustheit
Eines sollte klar sein. Je mehr Funktionen, das heisst, je mehr Komplikationen eine Uhr hat, um so empfindlicher ist sie. Das beginnt bei der Vielzahl von Drückern, die gerne mal Wasser ins Gehäuse lassen und endet bei den filigranen Konstruktionen einzelner Werkteile, die alle auf engstem Raum untergebracht sein wollen. Alltagstauglich in Abhängigkeit vom Lebensstil sind alle Uhren. Aber wer würde schon mit einem Tourbillon Golf spielen (müssen)? Oder wer braucht in 30 Metern Meerestiefe einen ewigen Kalender? Ja aber das Werk schon allein! Die Manufakturkaliber sind viel besser. Wo steht das? Das Valjoux 7750 ist eines der bewährtesten Uhrwerke überhaupt und verrichtet in wesentlich mehr Zeitmessern zuverlässig seinen Dienst als das Rolex 3135. Ob es sinnvoll ist, beim Sport überhaupt eine Uhr zu tragen? Was ich sagen will, jeder Zeitmesser hat sein Einsatzgebiet. Einige sind nur im Alltag zu Hause und andere können auch mal mehr beansprucht werden. Welche Uhr zu ihrem Lebensstil passt, müssen Sie entscheiden. Btw., Quarzwerke sind der Mechanik in Robustheit weit überlegen.

Werterhaltung
Vergessen Sie's! Uhren sind keine Kapitalanlage und eignen sich nicht als Spekulationsobjekt. Ein Mitarbeiter eines renommierten Schweizer Auktionshauses sagte mir einmal: Wir bekommen die schönsten und teuersten Modelle im besten Zustand herein und die Verkäufer sind enttäuscht, wenn nur 30 Prozent des Neupreises erzielt werden. Wenn Ihnen eine Uhr gefällt, dann kaufen Sie die Uhr und tragen sie. Das sehe ich genauso. Warum sollte ich einen Zeitmesser, der mir gefällt, kaufen und ihn dann im Safe wegschliessen? Für wen? Wenn ich mir eine Uhr leisten kann, dann gehört sie auch an das Handgelenk. Denn ich habe nicht nur Gehäuse, Zifferblatt und Zeigerspiel bezahlt, sondern auch das Uhrwerk, das Armband und die Schliesse. Es mag sein, dass die Modelle einiger Hersteller ihren Wert besser erhalten als die anderer. Das ist jedoch nicht nur eine Frage des Marktes, sondern auch eine Frage des Verkaufsgeschickes des Anbieters. Eine gut erhaltene Breitling Aerospace bestens präsentiert, kann auf dem Zweitmarkt auch schon mal über 70 Prozent des Neupreises erzielen.

Funktionen
Haben ist besser als hätte, meinen viele. Aber wenn Sie ein Sportmodell brauchen, dann müssen sie Abstriche bei den Komplikationen machen. Wenn Sie jedoch, die eine oder andere Funktion benötigen oder gerne hätten, dann geht das zu Lasten der Robustheit. Ich mag Komplikationen. Sie sind im Alltag sehr nützlich, ob Schaltjahreskalender, Chronograph oder Navigationscomputer. Viele Liebhaber wissen leider nicht, was man mit solchen Funktionen im Alltag wirklich alles anstellen kann. So rechnet der Navigationscomputer Währungen um oder der Chronograph hilft Termine zu halten, um nur einige zu nennen. Ihrer Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Hier stellt sich die Frage, ob man das Problem nicht besser mit zwei Uhren löst.

Genauigkeit
Mein Chronometer geht am Tag vier Sekunden vor. Soll ich zum Konzessionär gehen? Quarzwerke oder besser noch Funkuhren schlagen hier mechanische Uhrwerke um Längen. Wenn es ein mechanisches Werk sein muss, dann hat es einfach einen etwas grösseren Fehler als eine Atomuhr. Fehler bedeutet in der Physik nichts schlechtes, sondern nur Abweichung vom Normal. Bei Uhren wäre dies das Zeitnormal. Mit solchen Fehlern muss man leben. Wenn man sie kennt, spielt die Grösse solcher Abweichungen keine Rolle mehr. Man stellt sich einfach darauf ein und korrigiert in bestimmten Abständen. Dazu bräuchte man - genau genommen - nicht einmal ein Vergleichsinstrument. Ich erfreue mich an mechanischen Uhrwerken, mir ist es egal, ob der Zeitmesser am Tag zwei oder vier Sekunden vor geht. Das ist Nebensache. Wer auf Präzision steht, braucht eher eine Funkuhr. Ihre Entscheidung. Aber vorgehen sollte der Lieblingszeitmesser schon, damit man sich bei Terminen nicht verspätet. Ein Nachgehen bedarf also einer Korrektur.

Preis und Budget
Viele wünschen sich eine gute mechanische Armbanduhr und setzen sich ein Limit. Warum nicht. Ich halte jedoch nicht viel davon. Budget heisst immer Kompromiss zwischen dem Wunsch und dem Machbaren. Ich hasse Kompromisse. Vor allem dann, wenn ich viel Geld dafür ausgeben müsste. Mechanische Uhren sind faszinierende Instrumente. Aber nicht jede gefällt. Wenn Sie eine bestimmte Uhr gerne hätten, warum sollten Sie Ihr Konto belasten und sich mit geringerem zufrieden geben? Wenn Sie 5.000 Euro investieren könnten, ihr Lieblingszeitmesser jedoch das Doppelte kostet, warum warten Sie nicht, geniessen die Vorfreude und kaufen sich etwas später dann genau die Uhr, die ihren Vorstellungen am besten gerecht wird? Ich kann mich an Uhren erfreuen, auch wenn ich sie mir vielleicht nie werde leisten können. Aber sollte der Zufall es wollen, dann würde ich keine Sekunde zögern.

Original oder Replica
Immer das Original wählen. Es gibt keine Fälschungen, die ein besseres Preis-Leistungsverhältnis bieten. Es gibt auch kein vernünftiges Argument, sich mit einer billigen Kopie zufrieden zu geben. Warum kaufen Menschen Kopien? Weil Kleider Leute machen und sich manche Leute einreden, dass ein teuer scheinender Zeitmesser am Handgelenk mehr Eindruck macht. Oder weil Geiz geil ist und man hofft, für wenig Geld ein Schnäppchen zu erwischen. Falsch! Die Preise von Luxusuhren schwanken weltweit nur im Rahmen der Steuern, die jedes Land erhebt. Das ist gemessen an der Gesamtausgabe eher gering. Auch können die meisten Leute den Look einer Uhr nicht der Marke zuordnen und den Preis wissen sie eh nicht. Und die es wissen, erkennen auch oft auch die Fälschung. Aber Eindruck? Mich faszinieren Uhren, nicht deren Besitzer.

Neu oder gebraucht
Beim Kauf vom Konzessionär haben Sie allen erdenklichen Service und auch Garantie. Der Kauf einer gebrauchten Uhr beinhaltet immer ein Risiko. Ist die Uhr, wie versprochen, in Ordnung? Wann war die letzte Revision? Ist sie auch wirklich ein Original? Ihre erste gute Luxusuhr sollten Sie in jedem Falle beim Konzessionär kaufen. Dieses Erlebnis gehört einfach dazu. Eine gebrauchte Uhr kann mit gutem Draht zu einem Konzessionär bei ihm übergeben werden. Auch bieten Konzessionäre ebenfalls gebrauchte Uhren an, oft mit Service und Garantie. Vorsicht ist bei eBay & Co geboten. Hier sollten Sie sich schon gut mit Zeitmessern auskennen. Die Papiere müssen vollständig und die Nummern nachvollziehbar sein. Bestimmte knappe Modelle werden oft überteuert angeboten.

Rabatt
Hier gehen die Meinungen auseinander. Manche Liebhaber meinen, es wäre ein Frevel beim Kauf einer Luxusuhr nach Rabatt zu fragen. Aber definiere Luxusuhr! Der Spielraum ist bei manchen Herstellern begrenzt, bei anderen ist schon etwas Preisnachlass möglich. Ist das Modell sehr begehrt, dann wird eher wenig Rabatt gewährt. Ein guter Draht zum Konzessionär hilft hier schon. Ich hätte da keine Skrupel. Warum mehr Geld ausgeben als nötig. Die Wunschliste ist lang.

Finanzierung und Leasing von Uhren
Davon halte ich nichts. Teure Zeitmesser braucht man nicht unbedingt. Sich dafür zu verschulden, macht wenig Sinn. Aber wenn's gefällt, dann muss man sich die Finanzierung auch leisten können. Uhrenleasing steht für mich nicht zur Diskussion. Ich halte das für teuren Unsinn. Bei einer Finanzierung gäbe es noch den Vorteil, dass bei Veränderung des Einkommens die Uhr verkauft und der Kredit schnell getilgt werden kann. Bei Leasing wäre Geld und Uhr weg.

Einstieg
Welche Uhr sollte man als Einstieg wählen? Schon das Wort "Einstieg" gefällt mir nicht. Es gibt Uhren, die gefallen und es gibt welche, die weniger gefallen. Aber welche Uhr Sie als "Einstieg" wählen, hängt von Ihrem Geschmack und Ihrem Lebenstil ab. That's it!

Die Meinung anderer
Was sollen meine Kollegen und meine Mitmenschen sagen, wenn ich soviel Geld... Das ist das letzte, was mich beim Uhrenkauf interessiert. Wie schon gesagt, die meisten erkennen den Wert eh nicht und die anderen freuen sich mit Ihnen.

Genug geschnattert - Fazit!
Die eierlegende Wollmilchsau gibt's auch unter den Luxuszeitmessern nicht. Wenn eine Uhr gefällt, dann kaufen und sich auf seine neue Freundin einstellen. Die sportlich-robuste Alltagsuhr muss nicht die komplizierteste Zicke sein. Reicht das Budget noch nicht aus, dann hat niemand etwas gegen Vorfreude und Wunschliste. Swatch-Träger sind auch Menschen und Rolex hatte auch mal Quarzwerke. Btw., die billigste Uhr kann einen unbezahlbaren ideellen Wert haben.

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